Kameralose Videoaufzeichnung ist eine weit verbreitete Technik, bei der am Computer mit entsprechender Software eine Bildschirmaufzeichnung angefertigt wird. Auch das MaMpf-Projekt macht von kameraloser Videoaufzeichnung Gebrauch, um Vorlesungsvideos, Wiederholungsvideos und Worked-Example-Videos einfach und kostengünstig zu produzieren. Dieser Artikel stellt die genannten MaMpf-Teilprojekt und alles Wissenswerte zur kameralosen Videoaufzeichnung vor, wie etwa ihre Funktionsweise, ihre Vorteile und ihre praktische Umsetzung.
Warum Videos?
Studierende sind individuell. Darum benötigen Studierende passgenau auf sie abgestimmte Lerngelegenheiten, um Über- und Unterforderung zu vermeiden. Videos können dies leisten, da sie Studierenden ermöglichen, den Umfang, die Geschwindigkeit sowie Ort und Zeit ihrer Lerneinheit selbst zu bestimmen. Außerdem können Videos bearbeitet und dabei u.a. durch zusätzliche, aber nicht für alle Studierenden gleichermaßen relevante Informationen wie Verweise und Links angereichert werden. Videos stellen somit dauerhaft verfügbare, langfristig ausbaubare Lernangebote dar, aus denen Studierende gezielt auswählen und die sie in Anspruch nehmen können, wenn und solange sie aufnahmefähig sind.
Vorlesungsvideos
Die klassische Vorgehensweise des mathematischen Tafelvortrags eignet sich ausgezeichnet für die Präsentation mathematischer Inhalte: Ein Tafelanschrieb kann, im Gegensatz zu einer vorab ausgearbeiteten Bildschirmpräsentation, spontan abgeändert und flexibel angepasst werden. Ebenso führt das Anschreiben dazu, dass die Geschwindigkeit begrenzt wird, was wiederum einen präzisen Aufbau mathematischer Theorie begünstigt. Die Aufzeichnung solcher Vorlesungen steigert ihren Nutzen erheblich, da Videos alle in einer Vorlesung gegeben Erläuterungen und Erklärungen einfangen und konservieren, wodurch sie deutlich informationsreicher als Aufschriebe, Skripte oder Bücher sind. Studierende erhalten damit die Chance, sich Stellen, an denen sich nicht folgen konnten oder die sie nicht verstanden haben, erneut anzuschauen. Zudem können Studierende im Fall von Krankheit oder Überschneidung von Lehrveranstaltungen Vorlesungen verlustfrei nachholen.

Wiederholungsvideos
Mathematische Theorie ist hochkomplex, sie definiert und beschreibt eine Vielzahl an Objekten und deren vielschichtige Beziehungen. Um ihr folgen und sie begreifen zu können, ist breites (Vor-)Wissen erforderlich. In diesem unterscheiden sich Studierende aus verschiedenen Gründen teils deutlich. Besonders in fortgeschrittenen Vorlesungen können Wissensdefizite dem Verständnis und dem Nachvollziehen der in der Vorlesung präsentierten Theorie im Weg stehen. Lehrende sehen sich dadurch vor die Entscheidung gestellt, ob sie für die Vorlesung relevante Inhalte wiederholen oder nicht. Keine dieser beiden Optionen stellt jedoch eine befriedigende Lösung dar.
Wiederholungsvideos können hier Abhilfe schaffen. In ihnen wird Stoff, der als bekannt vorausgesetzt wird und für Teile der Vorlesung relevant ist, kurz und bündig zusammengefasst. Zudem enthalten die Videos Verweise auf Medien, mit denen Studierenden sich weiter mit den Inhalten beschäftigen und sie vertiefen können. Studierenden wird mit Wiederholungsvideos die Möglichkeit gegeben, ihre Lücken zu schließen und ihr Wissen aufzufrischen. Mit dem MaMpf-internen Benachrichtigungssystem können Studierende über die Videos informiert werden, so dass sie sich mit dem Stoff auseinandersetzen können, bevor in der Vorlesung auf ihn zurückgegriffen wird. Dadurch können Studierende stärker vom Vorlesungsbesuch profitieren.

Worked-Examples-Videos
In der Mathematik spielen Algorithmen zur Problemlösung und Methoden zur Untersuchung der Eigenschaften mathematischer Objekte eine wichtige Rolle. Echtes Verständnis dafür erfordert neben theoretischen Kenntnissen – wie sie typischerweise in Vorlesungen vermittelt werden – auch Übung: Studierende müssen Algorithmen und Methoden auf konkrete mathematische Probleme bzw. Objekte anwenden. Ein erster Schritt in diese Richtung besteht meist darin, einfache Beispiele nachzuvollziehen.
Solche Beispiele („Worked Examples“) finden sich zwar auch in Büchern und im Internet, doch lassen diese aus Sicht von Studierenden häufig in ihrer Ausführlichkeit zu wünschen übrig: Oft werden (Argumentations-)Schritte, die Studierende zum Verständnis benötigen, weggelassen oder stark verkürzt dargestellt. Darum werden im MaMpf-Projekt Worked-Example-Videos mit detaillierten mündlichen Erklärungen produziert. In diesen Videos fließen an vielen Stellen wichtige Hinweise sowie hilfreiche Tipps und Tricks mit ein.
Was wird für kameralose Videoaufzeichnung benötigt?
Für die kameralose Videoaufzeichnung sind erforderlich:
- ein stiftfähiges Tablet, Notebook o.Ä.
- ein Notizprogramm
- ein externes Mikrofon (und eventuell Adapter)
- eine Screenrecording-Software
- ein Bearbeitungsprogramm
- ein Computer zur Nachbearbeitung
Zum schnellen und einfachen Wechseln zwischen Stiftarten und -farben in der Notizsoftware können Gaming-Tastaturen verwendet werden. Sollen Vorlesungen kameralos aufgezeichnet werden, wird außerdem ein Beamer im Hörsaal benötigt.
Wie funktioniert kameralose Videoaufzeichnung?
Bei der kameralosen Videoaufzeichnung wird der Prozess des Anschreibens zur Entwicklung mathematischer Gedankengänge von der Tafel auf ein stiftfähiges Tablet verlagert: Auf dem Tablet wird in einer Notizsoftware geschrieben, während im Hintergrund eine Screenrecording-Software läuft, die alle Bildschirmaktivitäten aufzeichnet und über ein externes, mit dem Tablet verbundenes Mikrofon einen Audiomitschnitt anfertigt. Im Fall der Vorlesungsvideos wird der Anschrieb über einen Beamer auf eine Leinwand projiziert, so dass die Hörer*innen wie beim traditionellen Tafelanschrieb alles mitverfolgen können.

Warum kameralose Videoaufzeichnung?
Die kameralose Videoaufzeichnung ist der herkömmlichen bei der Produktion von Vorlesungsvideos in einigen entscheidenden Punkten überlegen:
- Kameralose Videoaufzeichnung ist vergleichsweise kostengünstig und einfach umsetzbar. Ohne zusätzliches Kamerapersonal können qualitativ hochwertige Videos unabhängig von den im Hörsaal vorherrschenden Bedingungen (z.B. den Lichtverhältnissen) aufgenommen werden. Die Schrift in so aufgezeichneten Aufschrieben ist stets gut zu erkennen, was auf die Schrift auf klassisch gefilmten Tafeln oftmals nicht zutrifft. Zudem sind auf der Aufnahme weder Dozent*innen noch im Hörsaal umherlaufende Personen zu sehen.
- Das Schreiben an einem Tablet ist physisch deutlich weniger belastend als das Beschreiben einer Tafel und lässt sich sowohl an einem Pult stehend als auch an einem Tisch sitzend realisieren.
- Dozent*innen sind bei der kameralosen Videoaufzeichnung nicht an die Tafel gebunden, weshalb sie sich ihrem Publikum zugewandt positionieren können. Dadurch ist es möglich, während der Vorlesung häufiger Blickkontakt mit den Studierenden herzustellen. Dieser kann Auskunft darüber geben, ob weitere Erklärungen nötig sind und das Tempo angemessen ist.
- An einem Tablet können zur Erklärung, Veranschaulichung oder Verdeutlichung andere Medien (z.B. Grafiken, Animationen oder Videos) eingebunden werden. Zudem können Farben nicht nur in Skizzen, sondern auch zur Strukturierung des Aufschriebs genutzt werden.
- Aufschriebe und Videos können überarbeitet sowie nach- und aufbereitet werden. Dadurch ist das Einfügen von Verweisen und eine enge Verzahnung mit weiteren Lernangeboten wie Quizzes oder Word-Example-Videos möglich. Mit wenigen Klicks können Aufschriebe und Videos exportiert und über MaMpf Studierenden zugänglich gemacht werden. Von diesen Vorlesungsmitschrieben profitieren Studierende, denen das simultane Mitdenken und Mitschreiben Schwierigkeiten bereitet, enorm, da sie zugunsten des Mitdenkens auf das Mitschreiben verzichten und trotzdem auf einen Vorlesungsmitschrieb als Arbeits- und Lerngrundlage zurückgreifen können.
Kosten, die durch kameralose Videoaufzeichnung anfallen
Für die technische Ausstattung zur kameralosen Videoaufzeichnung, die derzeit im Rahmen des MaMpf-Projekts an der Universität Heidelberg verwendet wird, belaufen sich die Anschaffungskosten auf etwa 5100€. Sie setzen sich wie folgt zusammen:
Objekt | Modell | Kosten |
---|---|---|
Tablet | Surface Book (Core i7-Prozessor, 16 GB RAM und 1 TB SSD) | ca. 2500€ |
Mikrofon | Shure WH20 | ca. 200€ |
Aufnahme- und Be- arbeitungssoftware | Camtasia (zwei Lizen- zen) | ca. 380€ |
PC zur Nachbearbei- tung | Core i7-6700K-Prozes- sor, 32GB RAM, 1 TB SSD, 4TB HDD, NVidia Geforce 1070GTX Grafikkarte | ca. 2000€ |
Nachbearbeitung von Vorlesungsvideos
Zunächst wird das in Camtasia aufgezeichnete Vorlesungsvideo geschnitten. Dabei können Korrekturen und Überarbeitungen vorgenommen werden, zum Beispiel falls in der Vorlesung kleinere Fehler passiert sind. Dann wird das bearbeitete Video als mp4-Datei exportiert. Je nach Bearbeitungsbedarf nimmt dies ingesamt etwa 30 Minuten bis eine Stunde in Anspruch. Anschließend wird das Video auf MaMpf hochgeladen, wo es im THymE-Editor getaggt wird. Der Zeitaufwand des Taggings hängt von der Anzahl der gesetzten Tags und Referenzen ab. Durchschnittlich werden etwa 15 Minuten benötigt.
Tipps für die praktische Umsetzung
Aufzeichnung und Bearbeitung
- Für die Videoaufzeichnung hat sich eine Bildfrequenz von 20 Bildern pro Sekunde als völlig ausreichend herausgestellt. Durch die Verringerung der Bildfrequenz nehmen auch die Rechenintensität der Aufzeichnung und die Videogröße ab.
- Da Beamer typischerweise im Querformat auf Leinwände projizieren, ist das Querformat auch das empfohlene Format, in dem man während der Vorlesung auf das Tablet schreibt.
- Um eine hinreichende Zukunftskompatibilität zu gewährleisten, empfiehlt sich eine horizontale Auflösung von 1080 Pixel für die Ausgabevideos.
- Für den THymE-Player ist ein 3:2 Bildschirmverhältnis optimal, da in diesem Fall der Platz für interne und externe Referenzen bestmöglich ausgenutzt wird, sofern ein 16:9 Monitor verwendet wird.
Wahl des Mikrofons
Audioaufnahmen zu Vorlesungsvideos sollten über ein externes Mikrofon erfolgen, da Aufnahmen über interne Mikrofone erfahrungsgemäß nicht verwertbar sind. Mikrofone mit Nierencharakteristik haben sich für diesen Zweck in der Praxis bewährt. Mikrofone mit Kugelcharakteristik eignen sich hingegen weniger, weil sie zum einen dazu neigen, das beim Schreiben auf dem Tablet auftretende Stiftklackern mit aufzuzeichnen, was für Betrachter*innen eines Videos auf Dauer enervierend wirken kann. Zum anderen nehmen sie auch Hintergrundgeräusche aus dem Hörsaal mit auf, was zu einer recht unruhigen Akustik führt.
Stiftwechsel in One Note mit einer Gaming-Tastatur
Die Verwendung unterschiedlicher Stiftfarben und -arten kann Vorlesungsmitschriebe und -videos aufwerten: Farben können Aufschriebe strukturieren, Skizzen verbessern und Erklärungen unterstützen.

In One Note ist der Wechsel zwischen Stiftfarben und -arten leider nicht nur umständlich, sondern führt auch zur Entstehung von Passagen, die bei der Nachbearbeitung des Videos herausgeschnitten werden sollten. Gaming-Tastaturen mit programmierbaren Tasten können das Wechseln von Stiftarten und -farben bei der kameralosen Videoaufzeichnung vereinfachen, beschleunigen und verhindern das Entstehen von Sequenzen, die nachträglich herausgeschnitten werden müssen. Dazu geht man wie folgt vor:
- Schritt 1: Microsoft One Note öffnen.
- Schritt 2: Die Symbolleiste für Schnellzugriffe einrichten und dort Favoritenstifte und -marker hinterlegen (diese können über die Tastenkombination Strg + Alt + Zahl aufgerufen werden).
- Schritt 3: Gaming-Tastatur so programmieren, dass die Tasten mit Strg + Alt + Zahl belegt sind.
Letzte Aktualisierung: Oktober 2019